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Die wichtigsten Territorien im Elsass im Jahr 1648

L’Alsace en 1648 : carte schématique des principaux territoires. Vergrößern

Eigenschaften

CartographeJean-Philippe Droux, ARCHMIEDE, CNRS
Historische Zeiträume Frühe Neuzeit
Themen Machtträger - Territorien
SkalaAlsace
KartennetzentwurfLambert II étendu
Entstehungsdatum2009
Datum der letzten Änderung2011
QuelleCarte originale
Diese Karte zitieren, « Die wichtigsten Territorien im Elsass im Jahr 1648 », in Atlas historique d'Alsace, www.atlas.historique.alsace.uha.fr, Université de Haute Alsace, 2011

Erläuterungen zur Karte

Die kartographische Darstellung des Elsass im 17. Jahrhundert macht deutlich, dass die Provinz als solche durch die Außenpolitik der französischen Könige geschaffen wurde, sei es durch diplomatisches Handeln oder militärisches Eingreifen. Die französische Monarchie fügte nämlich Territorien zusammen, die vormals nicht Bausteine eines Staates, sondern des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation gewesen waren. Bei ihrer Untersuchung kann man sich deshalb nicht am französischen Fall orientieren, sondern muss von der politischen und sich auf eine Vielzahl an Territorien stützenden Organisation des Alten Reichs ausgehen.

 

Der Raum, in dem die französische Monarchie 1648 eingriff, zeichnete sich durch zwei grundsätzliche Merkmale aus. Zunächst bestanden zwei Drittel des Territoriums aus politischen Einheiten, die – besonders im nördlichen Elsass – reichsunmittelbar waren und zum Besitz weltlicher oder geistlicher Fürsten gehörten. Wer in seinen Herrschaften Inhaber der Landeshoheit war und die Reichsunmittelbarkeit besaß, war als reichsunmittelbarer Landesherr in seinen Territorien gewissermaßen das, was der Kaiser für das Reich war: oberster Richter über das Eigentum und die Körper seiner Untertanen. Diese verfassungsrechtliche Situation produzierte eine territoriale Zersplitterung, aus der im Fall des Elsass einige Gebiete besonders hervorstechen: die zu Württemberg gehörende Grafschaft Mömpelgard (Montbéliard), die Herrschaft Rappoltstein (Ribeaupierre), die Herrschaft Hanau-Lichtenberg oder die Besitzungen der Fürst­äbte von Murbach. Der pfälzische Kurfürst und der Fürstbischof von Speyer besaßen ihrerseits Ländereien, in denen sie das Recht hatten, die Gerichtsbarkeit auszuüben. Im Süden der Provinz hingegen unterstreicht die Karte ein kompaktes Ensemble, das zum Hause Österreich gehörte (also zur Wiener Linie der Habsburger) und das im Hinblick auf seine politische Geographie dem modernen, mit Souveränität ausgestatteten Territorialstaat deutlich näher stand. Der Grundbesitz hier wurde von den Regenten zu Ensisheim verwaltet, welche wiederum der Regierung in der Hauptstadt Innsbruck unterstanden. Neben diesen beiden Modellen zeigt die Karte ebenfalls eine – für europäische Verhältnisse ungewöhnliche, für die Situation im Reich aber durchaus typische – Konzentration von Städten. In diesem urbanen Netzwerk tritt zunächst die Republik Straßburg mit ihren Vogteibezirken hervor. Straßburg war eine Freie Stadt, die nie einen Eid auf den Kaiser abgelegt hatte und deren Verwaltungsprinzipien von der Stadtverfassung aus dem Jahr 1482 bestimmt wurden. Während des Dreißigjährigen Kriegs konnte sich die Stadt ihre Unabhängigkeit bewahren, ihre Privilegien wurden durch den Westfälischen Frieden bestätigt. Daneben hebt die Karte zehn Reichsstädte hervor (Weißenburg/Wissembourg, Hagenau/Haguenau, Rosheim, Oberehnheim/Obernai, Schlettstadt/Sélestat, Kaysersberg, Colmar, Münster/Munster, Türkheim/Turckheim, Landau), die – obwohl sie eigentlich den Status der Reichsunmittelbarkeit besaßen – in der ersten Hälfte des Kriegs faktisch dem Territorium der Habsburger eingegliedert wurden. Dieser Zehnstädtebund, zu dem eine Zeit lang auch Mülhausen/Mulhouse gehört hatte, war seit dem beginnenden 16. Jahrhundert durch eine Allianz mit den Schweizer Kantonen verbunden. Er ist ein gutes Beispiel für das Spiel der politischen Kräfte im Alten Reich, das gleichermaßen Feudalverband und Wahlmonarchie war. Dieses Spiel war geprägt von sich immer wieder neu formierenden Offensiv- oder Defensivbündnissen, von der Suche nach Allianzen und dem Streben nach Kooperationen (wobei diese weder Rivalitäten noch Spannungen dauerhaft beseitigen konnten), aber auch vom Fortbestand korporativer Formen der politischen Organisation und von Institutionen, die im Laufe der Zeit immer mehr erstarrten. Deutlich gemacht wird von der Karte schließlich, dass der Rhein zu jener Zeit weder in politischer noch in ökonomischer Hinsicht eine Grenze darstellte.

 

Die französische Monarchie war im Gegensatz dazu absolutistisch geprägt, zentralistisch ausgerichtet und von festen Verwaltungsstrukturen bestimmt. Bei der Gründung der Provinz Elsass und beim Anschluss an das Königreich stieß sie deshalb auf eine territoriale wie politische Situation, die radikal von der ihren abwich, indem hier die Souveränität auf drei Ebenen – die Reichsebene, die territoriale und die lokale Ebene – verteilt war, auf ein ökonomisches System, dass sich im Wesentlichen nach der Rheinachse ausrichtete, auf die Existenz von drei Konfessionen, die aus der Reform hervorgegangen waren, und auf sehr aktive religiöse Minderheiten, schließlich auf eine Sprache, die die Sprache der Habsburger – also des Feindes – war. Um das Elsass für sich einzunehmen, wandte sie bis zum Jahr 1681, dem Datum der Kapitulation Straßburgs, gleichermaßen Waffengewalt und die Mittel der Diplomatie an, aber auch das Recht und die Interpretation des Rechts.

 

Literatur

  • MALETTKE (Klaus), Les relations entre la France et le Saint-Empire au XVIIe siècle, Honoré Champion, Paris, 2001.
  • SCHNETTGER (Matthias), Hrsg., Imperium romanum – Irregulare Corpus – Teutscher Reichs-Staat. Das Alte Reich im Verständnis der Zeitgenossen und der Historiographie, Philipp von Zabern, Mainz, 2002.
  • DUHAMELLE (Christophe), Hrsg., Les espaces du Saint-Empire à l’époque moderne = Histoire, Économie et Société 23 (2004) 1, S. 3-95 (Themenschwerpunkt).

 

Übersetzung: Falk Bretschneider