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Der Stadtplan von Straßburg um 1400

Plan de Strasbourg en 1400 Vergrößern

Eigenschaften

Autor und Institut Jean-Jacques Schwien
Historische Zeiträume Hoch- und Spätmittelalter
Themen
CartographeJean-Jacques Schwien
SkalaLocale
Entstehungsdatum2008
Datum der letzten Änderung2008
QuelleCarte originale
Diese Karte zitierenJean-Jacques Schwien, « Der Stadtplan von Straßburg um 1400 », in Atlas historique d'Alsace, www.atlas.historique.alsace.uha.fr, Université de Haute Alsace, 2008

Erläuterungen zur Karte

Der Stadtplan von Straßburg um 1400 (1374-1441)

Dieser Stadtplan ist einem Werk entnommen, das die Ergebnisse archäologischer Untersuchungen in Straßburg von der Antike bis ins 18. Jahrhundert präsentiert und sich dabei an die Leitlinie einer nationalen Schriftenreihe hält, die unter der Leitung des Centre national d’Archéologie Urbaine in Tours steht. 

Das Ziel besteht dabei darin, alle Angaben in Bezug auf die räumliche Anordnung der Stadt in den unterschiedlichen Epochen zusammenzustellen. Dabei spielt es keine Rolle, ob diese Angaben aus Grabungen erschlossen, in schriftlichen Quellen erwähnt oder in bildlichen Darstellungen, Plänen und Karten dargestellt wurden. Ein Teil der Informationen wurde auch mit einer rückläufigen Methode erworben, die es erlaubt Gebäude und erwähnte Handlungen in der entsprechenden Zeit über spätere Dokumente zu verorten.

Dieser beinahe kreisrunde Plan, der sich auf die Jahre um 1200 bezieht, zeigt die Stadt in der letzten großen Bauphase ihrer Verteidigungsanlagen und die Angliederung zweier Vorstädte (die Bereiche Marais vert / heutiger Bahnhof im Westen und Krutenau im Osten). Diese Ausdehnungen stehen in Verbindung mit einer ganzen Reihe von Konflikten, unter anderem mit dem Bischof hinsichtlich des Besitzes der Rheinbrücke. Diese treten auch mit dem schrittweise vorgenommenen Abbruch von Klöstern und Häusern zu Tage, die vor den Mauern der Stadt gelegen waren, um eine Zone zu errichten, die einfach zu verteidigen war. 1441 nahm in Straßburg die Anordnung des bewohnten Raums eine nahezu endgültige Form an. Dieser Zustand sollte bis ins 18. Jahrhundert, ja sogar bis 1870 Bestand haben. 

Diese Zeit ist auch die Zeit der großen politischen Veränderungen: Nach einer ersten „Revolution“, bei der der Bischof 1262 aus der Stadt vertrieben wurde, übernahmen an der Wende des 14. zum 15. Jahrhundert die Zünfte die Macht über die adligen Patrizier. Diese neue Elite, die später Magistrat genannt wird, sorgte für neue öffentliche Gebäude, um die entsprechenden Aufgaben ausführen zu können (Zoll, Speicher, Rathaus, Münzturm, Wiederaufbau des großen Hospitals innerhalb der Stadtmauern...).

Die Kirchen, Klöster und Kapellen weisen dagegen eine gewisse Kontinuität auf, da die großen Neuerungen (die Ankunft der Bettelorden im 13. Jahrhundert) bereits zurückliegen oder noch kommen werden (die Reformation). Zur Auflösung der großen jüdischen Gemeinde kommt es ebenfalls erst in der Folgezeit. In diesem Zusammenhang hat 1439 die Vollendung des Turms der Kathedrale eine symbolische, künstlerische und sogar politische Bedeutung. Sie ist zugleich Teil eines gut zweihundert Jahre dauernden Prozess, in dem sich religiöse Einrichtungen in der Stadt niedergelassen haben. Eine stadtinterne Umstrukturierung hat auf jeden Fall stattgefunden, um weibliche Gemeinschaften (besonders die Dominikanerinnen) zu etablieren, deren Gebäude außerhalb der Mauern für den Bau einer militärischen Zone geopfert werden mussten. 

Mit den neuen Mauern ist diese Zeit vor allem auch durch eine Verdichtung der bebauten Fläche gekennzeichnet. Auch wenn im 16. und dann im 18. Jahrhundert ein Großteil der alten Gebäude, die man heute noch bewundern kann, erbaut wurde, geht die endgültige Parzellierung der Stadt wohl auf die Jahre 1300-1400 zurück, was die schriftlichen Quellen und die archäologischen Befunden bezeugen. Diese Entwicklung könnte an einer Verbesserung der Bautechnik gelegen haben (Fortschritte im Zimmereihandwerk) aber genauso an der Notwendigkeit, einen urbanen Raum zu organisieren, der fortan durch die Mauern klar umrissen war. Der Verdichtungsprozess ging aber nicht ohne Probleme voran, denn in dieser Zeit wurde die Stadt immer wieder von Bränden ganzer Viertel (manchmal 200 Häuser auf einmal) heimgesucht. Schließlich wurden vorbeugende Maßnahmen sowohl im baulichen Bereich ergriffen, als auch Gruppen im Einsatz gegen das Feuer organisiert, wodurch die Zahl der Brände nach 1450 beträchtlich abnahm. 

Es ist schließlich schwierig in dieser Karte genau darzustellen, an welchen Stellen welche Handwerke ausgeübt wurden und dies obwohl man sehr wohl die Lage der Märkte und der städtischen Lagerhäuser kennt. Die Namen bestimmter Straßen mit eindeutiger Bedeutung (Goldschmiede), aber auch die Lokalisierung von Zunftstuben sind Indizien für bestimmte Bereiche, die spezialisierter waren. Aber in dieser Stadt, wie auch anderswo scheint es so, als bräuchte man nicht nach einer klar abgegrenzten topographisch fassbaren Organisation der einzelnen Berufszweige zu suchen. 

Die Entwicklung des Bereichs, der sich am Rande des seit kurzem in den befestigten Raum integrierten Gebiets (Krutenau und Marais Vert) befand, wurde offenbar von den Gemüsebauern, Fischern und anderen kleineren Berufsgruppen vorangetrieben. Daran wird sich im Übrigen bis ins 18. Jahrhundert nicht viel ändern.

Im Ganzen war Straßburg damals mit seinen 200 Hektar Grundfläche innerhalb der Mauern  und seinen 20 000 Einwohner, was eine Zählung im Jahre 1444 ergab, eine mittelgroße Stadt und stand weit hinter Paris und seinen 200 000 Einwohner, aber weit vor der großen Zahl kleiner elsässischer Städte, die manchmal nur einige hundert oder sogar nur einige duzend Bewohner hatten. Zudem war Straßburg eine freie Stadt, die sich von der Herrschaft des Bischofs befreit hatte und nur geringe Pflichten gegenüber seinem direkten Herrn, dem Kaiser, zu erfüllen hatte, aber eine sehr ausgeklügelte Verwaltung aufwies. Vor allem im Handel, im Finanzwesen und im Bereich des intellektuellen Lebens hatte sich Straßburg zu einem Zentrum entwickelt, dessen Strahlkraft ganz Europa erfasste. Die Stadt verkaufte Wein und Getreide aus der Gegend über die Häfen der Hanse bis nach England und finanzierte zudem die Tuchherstellung und Aufzucht von Schlachtvieh im weiteren Rheingebiet. Obgleich die Stadt nicht formell über eine Universität verfügte (die erst nach 1681 gegründet wird), gehörten ihre Klosterschulen zu den Zentren des Humanismus, dessen nahezu natürliche Weiterführung der Aufschwung, wenn nicht sogar die Geburt des Buchdrucks Mitte des 15. Jahrhunderts war. Der große Teil der Bevölkerung aber ging, wie in vielen anderen Städten Beschäftigungen nach, die rein lokal verankert waren. Die einen stellten Dinge her, die in der Stadt gebraucht wurden und waren an Bauarbeiten beteiligt. Die anderen sorgten für die Bedürfnisse des religiösen Lebens, waren in der Armen- und Krankenfürsorge tätig.

Die räumliche Organisation aller Tätigkeiten scheint äußerst komplex zu sein. Die beigefügte Karte verdeutlicht das Ausmaß. Ihre Darstellung ist noch provisorisch: Der Prozess der Digitalisierung einer Karte, die für ein auf Papier gedrucktes Werk gedacht war, macht Entscheidungen nötig, die getroffen werden, sobald die Karten anderer Epochen bearbeitet worden sind. 

Quellen:

  • SCHWIEN (Jean-Jacques), Strasbourg. Document d'évaluation du patrimoine archéologique urbain, Paris, Tours, Ministère de la Culture, Centre National d'Archéologie Urbaine, 1992, 285 S., 26 Karten (Coll. Documents d'Evaluation du Patrimoine Archéologique Urbain-DEPAU)

Übersetzung: Harald Sellner

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