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Eine durch und durch virtuelle französische Souveränität: das Nordelsass im Jahr 1789

Eine durch und durch virtuelle französische Souveränität: das Nordelsass im Jahr 1789 Vergrößern

Eigenschaften

Autor und Institut Daniel Fischer
Historische Zeiträume Frühe Neuzeit
Themen Machtträger - Territorien
Cartographe J. Gnaedig, Jean-Philippe Droux, AHA
SkalaLocale
Entstehungsdatum2011
Datum der letzten Änderung2011
QuelleCarte originale
Diese Karte zitierenDaniel Fischer, « Eine durch und durch virtuelle französische Souveränität: das Nordelsass im Jahr 1789 », in Atlas historique d'Alsace, www.atlas.historique.alsace.uha.fr, Université de Haute Alsace, 2011

Erläuterungen zur Karte

Eine durch und durch virtuelle französische Souveränität: das Nordelsass im Jahr 1789

Der Elsässer Raum wurde in seiner geographischen Kontinuität weder von administrativen noch von staatlichen Grenzen unterbrochen. Das lag daran, dass sich auf dem Boden der Provinz zahlreiche Grundherrschaften auswärtiger Fürsten befanden (so genannte „besitzende Fürsten“), die in ihrer Mehrheit aus dem deutschen Raum stammten, oft weitläufige Domänen besaßen und dazu verpflichtet waren, sich einen Teil des Jahres vor Ort aufzuhalten. Ihre Vorrechte, die durch den Westfälischen Frieden geschützt und im 18. Jahrhundert von königlichen Patenten bestätigt wurden, machten aus diesen Fürsten veritable lokale Potentaten – und die Hoheit der französischen Souveränität zu einer eher theoretischen Angelegenheit. 1789 erhielten auch die deutschen Fürsten Beschwerdehefte (Cahiers de doléances) von ihren Elsässer Untertanen überreicht. Zur gleichen Zeit stritten Frankreich und die Pfalz verbissen um die nördliche Grenze des Elsass. Das gesamte 18. Jahrhundert über hatten Frankreich und der Herzog von Zweibrücken als Erbe des Pfälzer Kurfürsten um diese Grenze gerungen, ehe sie dann 1766 und 1786 in Abkommen festlegten, dass sich Frankreich mit dem Ableben des Fürsten bis zur Queich erstrecken sollte (allerdings starb der Herzog erst 1799). Nun stellt sich die Frage, wie im nördlichen Elsass Gebiete, die unzweifelhaft französisch waren (wie südlich der Lauter) oder es gerade wurden, die ganze Widersprüchlichkeit einer Aufrechterhaltung deutscher Herrschaftsansprüche widerspiegelten. Dass das Gebiet nördlich der Lauter unter französischer Souveränität stand, daran haben einige Autoren keinen Zweifel gelassen, etwa Philippe Horrer, der in seinem 1787 erschienenen „Dictionnaire géographique, historique et politique de l’Alsace“ ohne Zögern schrieb, das Unterelsass erstrecke sich bis zur Queich.

Für eine genauere Analyse der Situation der Grundherrschaften im nördlichen Elsass im Jahr 1789 ist es notwendig, mehrere Quellentypen (wie die Cahiers de doléances und die Akten der Serie Q – Nationalgüter im Archiv des Departements Bas-Rhin) mit einem anderen, erstklassigen Hilfsmittel zu verknüpfen: der von Frédéric-Charles Heitz 1860 aufgestellten Liste, die in Tabellenform alle Pfarrbezirke zusammen mit den jeweiligen Grundherrschaften aufzählt, zu denen sie gehörten. 1884 wurde eine erhebliche Anzahl von Akten vom Unterelsässer Archivar Louis Spach vorsätzlich und in der Absicht vernichtet, damit fürstlichen Familien einen Gefallen zu tun, die die Spuren ihres Tuns während der Revolution verschwinden lassen wollten. Die Serie zu den Nationalgütern, in der insbesondere Dokumente zum Verkauf dieser Ländereien in den Jahren 1792-1794 bzw. zu den Entschädigungen, die adligen Familien nach der Revolution gewährt wurden, hervorstechen, hilft, den daraus entstandenen Mangel an Quellen zu Gutsherrschaft und Revolutionszeit abzumildern. Ausgehend von diesen Materialien ist es möglich, mit ziemlicher Genauigkeit die Ausdehnung kleiner Grundherrschaften vor 1789 kartographisch abzubilden, während eine Karte der gesamten Provinz mit ihrem notwendigerweise kleineren Maßstab nur die wichtigeren Domänen graphisch wiederzugeben vermag.

Die das gesamte Elsass prägende territoriale Zersplitterung lässt sich auch im Outre-Forêt (Unterland) sowie in der Region zwischen Queich und Lauter beobachten. Einige Grundherrschaften zerfielen aufgrund von Erbschaften und/oder Verkäufen in zahlreiche Teile und befanden sich in der Hand mehrerer fürstlicher Familien: Der „besitzende Fürst“ Alois-Ludwig von Hohenlohe-Bartenstein, Herr von Oberbronn (wo er das Schloss erheblich erweiterte und verschönerte), vermachte so im Mai 1788 die Herrschaft an seinen Neffen Karl Ernst. Dieser teilte sich den Besitz einiger Dörfer des Vogteibezirks Oberbronn jedoch mit dem Fürsten von Leiningen-Dagsburg, der ein Viertel der Herrschaft besaß, und der Gräfin von Löwenhaupt, die eine Hälfte inne hatte. Die Pfarrbezirke von Weinburg und Sparsbach gehörten jeweils zur Hälfte den eben genannten Herren und den Landgrafen von Hessen-Darmstadt. Es war somit durchaus keine Seltenheit, Pfarrbezirke anzutreffen, die in bis zu acht Teile zerfielen – was auch eine Karte mit großem Maßstab nicht abzubilden vermag. Wie die Prozesse über den Verkauf von Wäldern an Eckartsweiler, Sparsbach und Zittersbach zeigen (alles Dörfer, die zu Hohenlohe gehörten), bei denen sich die Eigentümer zur gesamten Hand Hohenlohe, Löwenhaupt und De Dietrich gegenüber standen, blieben einige Herrschaften auch in ungeteiltem Besitz. Ein solches Gesamthandseigentum überdauerte jedoch nur im Schutz einer juristischen Leerstelle: Die genannten Wälder waren während der Aufteilung der Herrschaften von Oberbronn und Niederbronn im September 1764 vergessen worden, worauf sie ein Generalanwalt beim Parlement von Metz kartographisch erfasste und die verschiedenen Dörfer und Wälder auf die drei anspruchsberechtigten Familien verteilte. Diese Aufteilung geschah ohne Rücksicht auf jede territoriale Kohärenz, denn jede Seite versuchte, die möglichst besten Stücke zu bekommen. Damit wurde möglich, dass einzelne Dörfer einem Grundherrn gehörten ­(etwa dem Baron De Dietrich, der in Zinsweiler mehrere Eisenhütten betrieb), gleichzeitig aber die „zum Rehberg“ genannten Wälder im Bannbezirk des gleichen Dorfes im Besitz der Gräfin von Löwenhaupt verblieben und der „Brunnmattenwald“ sowie der „Ameisenwald“ Eigentum des Fürsten von Hohenlohe-Bartenstein waren. Große Domänen wie die des Fürst-Bischofs von Speyer und Mikro-Herrschaften lagen also dicht nebeneinander.

Ludwig XVI. besaß im Norden die Stadt Landau, die einem Brückenkopf französischer Präsenz auf dem Fluss Queich gleichkam. Die Pfarrbezirke des Outre-Forêt (Unterland), die zum Speyrer Bistum gehörten und oftmals im Besitz des Bischofs selbst oder eines anderen deutschen Fürsten waren, machen jedoch deutlich, wie stark die Provinz von deutschen Einflüssen geprägt war. Es wäre also falsch, eine auf der Nord-Süd-Achse verlaufende Skala der französischen Präsenz aufzustellen, die – folgte man dieser Logik – südlich der Lauter (also in einer Zone, in der die französische Souveränität unbestritten war) deutlicher ausfiele als im Norden (wo diese Souveränität umkämpft war). Bis 1789 war der gesamte Raum der Provinz vielmehr weitgehend gleichmäßig deutsch geprägt.

Quellen:

  • A.D. 67: liasses C 776, Q 834, Q 1352, Q 1445, Q 2502, Q 2647, Q 2708, Q 2854, Q 3036. 
  • HEITZ (Frédéric-Charles), L’Alsace en 1789: Tableau des divisions territoriales et des différentes seigneuries de l’Alsace existant à l’époque de l’incorporation de cette province à la France, Straßburg, Librairie F.-C. Heitz, 1860. 
  • PETER (Daniel), "L’Outre-Forêt à la fin de l’Ancien Régime", in: Outre-Forêt 65 (1989), S. 4-27.

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Literatur:

  • NOËL (Jean-François), "Les problèmes de frontières entre la France et l’Empire dans la seconde moitié du XVIIIe siècle", in: Revue historique (1966), S. 333-346.
  • PETER (Daniel), "L’attitude des princes possessionnés en Alsace du Nord au début de la Révolution", Outre-Forêt 73 (1991), S. 25-28.
  • SERFASS (Charles), Oberbronn, l’ancienne seigneurie, Drulingen, Éditions Scheuer, 2003.

Übersetzung: Falk Bretschneider

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