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Fünfundzwanzig Stationen in vier Jahren (1761-1765) oder: die Streifzüge einer Sundgauerin, Katharina Boeglin

Fünfundzwanzig Stationen in vier Jahren (1761-1765) oder: die Streifzüge einer Sundgauerin, Katharina Boeglin Vergrößern

Eigenschaften

Autor und Institut Jean-Michel Boehler
Historische Zeiträume Frühe Neuzeit
Themen
CartographeJean-Philippe Droux, ARCHMIEDE, CNRS
SkalaDépartement
Entstehungsdatum1994
Datum der letzten Änderung2009
QuelleCarte originale
Diese Karte zitierenJean-Michel Boehler, « Fünfundzwanzig Stationen in vier Jahren (1761-1765) oder: die Streifzüge einer Sundgauerin, Katharina Boeglin », in Atlas historique d'Alsace, www.atlas.historique.alsace.uha.fr, Université de Haute Alsace, 2009

Erläuterungen zur Karte

Fünfundzwanzig Stationen in vier Jahren (1761-1765) oder: die Streifzüge einer Sundgauerin, Katharina Boeglin

In Gerichtsakten stößt man immer wieder so unvermutet wie zufällig auf wahre Schätze. Die Welt der Landstreicherei etwa ist für Historiker im Prinzip nur schwer zugänglich; eine Verhaftung oder ein Prozess jedoch können Licht in das Leben der Menschen bringen, die einstmals über die Landstraßen zogen. Da ist zum Beispiel das Schicksal der Sundgauerin Katharina Boeglin, das – vom Anekdotischen abgesehen – scheinbar alles Unglück vereinte, das einem Mensch zustoßen kann. Die überlieferten Teile ihres Prozesses haben es möglich gemacht, ihren Lebenslauf nachzuzeichnen.

Katharina wurde 1732 in Helfrantzkirch geboren und war Mutter von sechs Kindern, von denen nur ein einziges überlebte. Nachdem ihr Mann, mit dem sie 14 Jahre zusammengelebt hatte, gestorben war, machte sie sich auf die Suche nach Arbeit und legte dabei in vier Jahren etwa 320 bis 350 Kilometer zurück. Von einem kurzen Aufenthalt in Schwaben abgesehen, bewegte sie sich durchweg in den Grenzen des Oberelsass. „Ohne festen Wohnsitz, von einem Ort zum nächsten ziehend, um ihr Leben bald mit Arbeit, bald mit der Bitte um eine milde Gabe zu bestreiten“, kehrte sie schließlich dorthin zurück, wo sie das Land ihrer Träume – d. h. das Land ihrer Kindheit – wiederzufinden hoffte. Sorgfältig vermied sie jeden Aufenthalt in den Städten, wo sich zwar die Fürsorgeeinrichtungen befanden, aber auch die harte Hand der Repression drohte. An Arbeitsgelegenheiten nahm sie im Laufe der Zeit alles an, dessen sie habhaft werden konnte. Mitunter hielt sie sich dabei nur wenige Wochen am selben Ort auf. In Orschweier/Orschwihr half sie bei der Weinlese, in Aspach arbeitete sie als Wollspinnerin, in Regisheim/Reguisheim und in Wittelsheim beteiligte sie sich an der Getreideernte. Danach kam sie beim Müller von Wittelsheim als Dienstmagd unter, pflanzte Kartoffeln und hütete das Vieh, während ihr Junge hier eine Stellung als Mühlknappe fand.

Nachdem sie lange Zeit herum gezogen war, ohne recht zu wissen, wovon sie sich am nächsten Tag ernähren sollte, traf sie nun jedoch das große Unglück. Ende April 1765 hatte sie Pech, fiel auf dem Weg zur Messe von einer Brücke und brachte vorzeitig Zwillinge zur Welt, die sie in panischer Hast von ihrem Fenster aus in die Thur warf. Dadurch kam heraus, dass sie sich von einem Schneider aus der Umgebung von Pruntrut/Porrentruy hatte schwängern lassen, mit dem sie im vorangegangenen Jahr zusammen bei der Ernte in Regisheim gearbeitet hatte. Auf frischer Tat ertappt, wurde sie von der Gendarmerie wegen des Verbergens der Schwangerschaft und Kindsmord verhaftet. Ohne diese Verhaftung hätten wir wahrscheinlich nie etwas von ihr erfahren. Hebamme und Wundarzt ließen ein Kreuzfeuer aus Anschuldigungen auf sie niedergehen, und letztendlich drohte ihr die übliche Strafe: „aufgehängt und erdrosselt“ zu werden, „bis dass der Tod eintrat“. Angesichts dieser Situation zog sie es vor, sich wieder auf den Weg der Landstrasse zu machen. Alles fing somit von vorne an. Katharina war zu diesem Zeitpunkt erst 33 Jahre alt.

Quelle:

  • Archives départementales du Haut-Rhin 4 B 10 (Prozessakten vom 18. September 1765).

Literatur:

  • Boehler (Jean-Michel), Une société rurale en milieu rhénan: la paysannerie de la plaine d’Alsace (1648-1789). Straßburg, 1994, Bd. 2, S. 1458-1459 und 1496.

Übersetzung: Falk Bretschneider

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