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Die Union populaire républicaine d’Alsace (UPR) zwischen 1919 und 1936

Eigenschaften

Autor und Institut Christian Baechler
Historische Zeiträume Neuzeit
Themen Wahlen und politische Parteien
CartographeC. Wisniewski, J. P. Droux, AHA
SkalaAlsace
Entstehungsdatum2010
Datum der letzten Änderung2010
QuelleCarte originale
Diese Karte zitierenChristian Baechler, « Die Union populaire républicaine d’Alsace (UPR) zwischen 1919 und 1936 », in Atlas historique d'Alsace, www.atlas.historique.alsace.uha.fr, Université de Haute Alsace, 2010

Erläuterungen zur Karte

Die Union populaire républicaine d’Alsace (UPR) zwischen 1919 und 1936

Die im August 1919 gegründete Partei Union populaire républicaine d’Alsace (UPR) war die Nachfolgepartei des Centre alsacien-lorrain. Im Gegensatz zur Vorgängerpartei war die UPR in Lothringen nicht mehr vertreten sondern nur noch im Elsass. Bis zu ihrer Auflösung im Jahr 1940 war sie nicht nur die wählerstärkste sondern auch die mitgliederstärkste Partei. Sie konnte auf die Unterstützung der einflussreichsten Verbände zählen und war immer wieder in der Lage, gekonnt Themenschwerpunkte in der Presse zu setzen.

Die christliche Weltanschauung war die gemeinsame Grundlage der Mitglieder der Volkspartei UPR. In wichtigen Punkten – wie etwa der nationalen Frage, der politischen und sozialen Einstellung – waren jedoch sehr unterschiedliche Interessen und Auffassungen zwischen den verschiedenen Flügeln der Partei auszumachen.

Aufgrund des Niedergangs der Sozialistischen Partei dominierte die UPR das politische Geschehen im Elsass zunehmend – mit einem Parteiprogramm, welches den kulturellen und religiösen Partikularismus im Elsass propagierte.

Wandel der Wählerschaft

Es ist leider nicht möglich, die Entwicklung der Wählerschaft der UPR von Beginn an präzise nachzuzeichnen. Der Grund dafür liegt in der Erfassung der Wählerstimmen. Bei den Wahlen in den Jahren 1919 und 1924 wurden die Stimmen für die UPR mit denen der Demokraten in der Liste Union Nationale zusammengefasst. Bei den darauf folgenden Parlamentswahlen wurde zwar jede Partei erstmals auf einer eigenen Liste geführt, doch die UPR trat aufgrund von Kooperationen mit anderen Parteien nicht in jedem Wahlkreis mit eigenen Kandidaten an. In den Wahlkreisen Zabern/Saverne und Straßburg-Land/Strasbourg-campagne war die UPR gar nicht vertreten, in den Wahlkreisen Strasbourg I und II, Schlettstadt/Sélestat und Rappoltsweiler/Ribeauvillé stellte die Partei nicht bei jeden Wahlen Kandidaten auf. Der durchschnittliche Wähleranteil der UPR im Elsass betrug im Jahr 1928 26,1%, im Jahr 1932 22,8% und im Jahr 1936 23,2%. Berechnet man den Wähleranteil der UPR nur für die zehn Wahlkreise, in denen die Partei in allen drei Wahlen angetreten ist, stellt man einen leichten, kontinuierlichen Anstieg des Wähleranteils fest. Im Jahr 1928 entfielen nach dieser Berechnung 35,4% der Wählerstimmen auf die UPR, im Jahr 1932 35,7% und im Jahr 1936 36,4%.

Verfolgt man die Entwicklung des Wähleranteils auf der Ebene der Departemente, werden bedeutende Unterschiede sichtbar. In den vier Wahlkreisen des Departements Bas-Rhin/ / Unterelsass, in denen die UPR in allen drei Wahlen angetreten war, steigerte sich der Wähleranteil von 39,9% im Jahr 1928 auf 38,9% im Jahr 1932 und auf 44,1% im Jahr 1936. Der leichte Rückgang im Jahr 1932 lässt sich erklären durch die Kandidaturen der Action populaire nationale d’Alsace (APNA) in den Wahlkreisen Erstein, Hagenau/Haguenau und Weißenburg/Wissembourg. Die APNA war im Dezember 1928 von ehemaligen UPR-Mitgliedern gegründet worden. Der starke Anstieg des UPR-Wähleranteils im Jahr 1936 ist einerseits auf die ausbleibenden Kandidaturen der APNA zurückzuführen, insbesondere jedoch auf die Mobilisierung der UPR-Mitglieder gegen den linken Front Populaire. Es fällt auf, dass die Wähleranteile der UPR in den Wahlkreisen, in welchen sie mit Kandidaten vertreten war, im Jahr 1936 ähnlich hoch waren wie die ihrer Vorgängerpartei, dem Centre alsacien-lorrain, im Jahr 1912. Die Krise, welche im Zuge der Autonomiebestrebungen sowie der Abspaltung der APNA zum Einbruch der UPR-Wähleranteil führte, war damit überwunden.

Im Departement Haut-Rhin/ Oberelsass stellte die UPR – außer in Rappoltsweiler/Ribeauvillé im Jahr 1936 – in allen Wahlkreisen Kandidaten auf. Der Wähleranteil der Partei betrug im Jahr 1928 32,7%, im Jahr 1932 33,8% und im Jahr 1936 31,7%. Bemerkenswert ist der Stimmenzuwachs im Jahr 1932 vor dem Hintergrund, dass die APNA 7,1% der Stimmen auf sich vereint. Dies macht deutlich, dass zur Zeit der Autonomiebewegung in der Zwischenkriegszeit insbesondere die Demokraten und Katholiken nicht mehr die UPR sondern die neu gegründete APNA wählten.

Im Jahr 1936 kann die APNA im Departement Haut-Rhin/ Oberelsass nur noch einen einzigen Kandidaten aufstellen. Der Rückgang des UPR-Wähleranteils ist vor diesem Hintergrund umso bemerkenswerter. Tatsächlich scheint die Union populaire républicaine d’Alsace deutlich geschwächt, vergleicht man ihren Stand in der Parteienlandschaft 1936 mit dem der Vorgängerpartei Centre alsacien-lorrain im Jahr 1912. Als Grund dafür können die autonomistischen Tendenzen der UPR im Departement Haut-Rhin/ Oberelsass angeführt werden. Diese führten zur Abwanderung von Stammwählern, insbesondere denjenigen, die in der Vorgängerpartei Centre alsacien-lorrain eine „Protestpartei“ sahen.

Wahlgeographie

Die Tatsache, dass die UPR in bestimmten Wahlkreisen keine Kandidaten aufstellte, führt dazu, dass das Bild der UPR-Wählerschaft lückenhaft bleibt. Insbesondere ist zu betonen, dass eine ausbleibende Kandidatur der UPR in einem Wahlkreis oft nicht gleichbedeutend ist mit einem schwachen Wählerpotential der Partei. Dies gilt insbesondere für die Wahlkreise Schlettstadt/Sélestat, Rappoltsweiler/Ribeauvillé und Straßburg-Land/Strasbourg-campagne. In Rappoltsweiler beispielsweise ist die ausbleibende Kandidatur der UPR eher auf die schlechte Organisation der Partei zurückzuführen denn auf ein mangelndes Wählerpotential.

Ein Blick auf die Karte macht deutlich, dass die Regionen, in denen die UPR viele Wählerstimmen auf sich vereint, mit denjenigen übereinstimmen, in denen auch schon die Vorgängerpartei (Centre alsacien-lorrain) vor 1914 stark vertreten war. Es handelt sich hier um die ländlich geprägten Wahlkreise Unterland, Ried, Hardt und Sundgau, die Wahlkreise in den Weinanbaugebieten auf der Nord-Süd-Achse zwischen Colmar und Oberehnheim/Obernai sowie die Wahlkreise in den Vogesen (Masmünster/Masevaux, Saint-Amarin, Lapoutroie, Weiler/Villé und Schirmeck). Auffallend ist, dass die UPR in denselben Wahlkreisen wenig Stimmen holt, in denen auch ihre Vorgängerpartei nicht schwach war. Vergleicht man den Anteil der Wählerstimmen des Centre alsacien-lorrain mit denen der UPR kann gar von einer Ausweitung der Gebiete mit niedrigem Wähleranteil gesprochen werden. So ist die UPR in der Region Krummes Elsass/Alsace Bossue (Kantone Saar Buchenheim/Sarre-Union, Drulingen, Lützelstein/La Petite-Pierre) sowie in einem Teil des Hanauer Land/Pays de Hanau und im Ackerland wenig präsent. Zu den Gebieten mit schwachem Wähleranteil der UPR gehören Kayserberg und Rappoltsweiler/Ribeauville im Haut-Rhin/ Oberelsass. Auch in den Städten Straßburg/Strasbourg und Mülhausen/Mulhouse sowie im durch Industrie geprägten Tal von Markirch/Sainte-Marie-aux-Mines ist die Partei wenig erfolgreich. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass es der UPR im Bas-Rhin/ Unterelsass gelang, ihren Wähleranteil zu stärken und Kandidaten aufzustellen. Im Haut-Rhin/ Oberelsass hingegen musste die Partei um ihren Wähleranteil kämpfen. Die beiden wichtigsten Gründe für die Abwanderung der UPR-Wählerschaft im Haut-Rhin/ Oberelsass waren die Spaltung der katholischen Wählerschaft im Zuge der Autonomiebewegung sowie die Erstarkung von rechtsradikalen Parteien.

Sozialstruktur der Wählerschaft

Wie erwähnt, hat sich die räumliche Verteilung der UPR-Wähler kaum verändert. Was sich jedoch verändert hat, ist deren soziale Zusammensetzung. Die Verschiebungen innerhalb der UPR-Wählerschaft lassen sich an den Kategorien Konfession, Art der Berufstätigkeit sowie Muttersprache ausmachen. So lässt sich etwa keine Korrelation mehr feststellen zwischen der Zugehörigkeit zur bäuerlichen Bevölkerung und der Wahl der UPR. Auch die Korrelation zwischen den Wählern katholischer Konfession und den Wählern, die für die UPR votierten, ist schwächer geworden. Dies bedeutet, dass die Wahrscheinlichkeit, dass Wählerinnen und Wähler mit katholischer Konfession UPR wählen, abgenommen hat. Dies ist auf das Zusammenspiel von zwei Einflussfaktoren zurückzuführen. Der eine ist politischer Natur: Im Zuge der Autonomiebewegung trat in der elsässischen Politik die nationale bzw. regionale Frage stark in den Vordergrund und überlagerte alle anderen politischen Debatten. Ein zweiter Einflussfaktor für die Verschiebungen innerhalb der UPR-Wählerschaft ist in der Veränderung der Sozialstruktur zu suchen. Insbesondere hat sich in den ländlichen Gebieten die Verteilung der Berufstätigen auf die drei Sektoren stark verändert. Waren hier 1910 noch zwei Drittel aller Beschäftigten im Primärsektor (Landwirtschaft) beschäftigt, waren es 1936 noch zwischen 40 und 45%. Diese Zahlen machen deutlich, dass sich die Beschäftigung in den ländlichen Gebieten des Elsass stark verändert hat.

Die UPR hat sich diesen Veränderungen angepasst. Diesen Prozess genau zu verstehen ist jedoch nicht einfach. Fest steht, dass die katholische UPR in den ländlich geprägten Wahlkreisen stark an Zustimmung eingebüßt hat. Die in ländlichen Gebieten wohnende katholische Bevölkerung wählt nicht mehr automatische die UPR. Stattdessen konnte die Partei in den von Industrie geprägten Wahlkreisen neue Wählerstimmen dazugewinnen. Als Beispiele können die Wahlkreise Schirmeck oder Molsheim, die insbesondere im Zuge des Erfolges der christlichen Gewerkschaften zu Hochburgen der UPR avancieren. In den von Industrie und drittem Sektor geprägten Großstädten blieb die UPR wenig attraktiv. Trotz großen Bemühungen musste die Partei sowohl in Straßburg/Strasbourg als auch in Mülhausen/Mulhouse einen Rückgang des Wähleranteils hinnehmen.

Die nachlassende Bindung der katholische Wähler an die UPR ist weniger ein Ergebnis einer veränderten Sozialstruktur als vielmehr der Verschiebung der traditionellen politischen Konfliktlinien sowie der Spaltung der Wählerschaft vor dem Hintergrund der Autonomie-Frage. Vor 1914 war das Wahlverhalten in ländlichen Gebieten maßgeblich von der Konfessionszugehörigkeit beeinflusst. Nach dem ersten Weltkrieg hingegen rückte die Positionierung in der Autonomie-Frage („Autonomisten“ vs. „Nationale“) im Wahlverhalten stark in den Vordergrund. Als weitere Gründe, weshalb die UPR ihre katholische Stammwählerschaft verlor, sind die sich verringernde Bindung katholischer Institutionen an die UPR sowie die Spaltung der Partei im Jahr 1928 und die Gründung der APNA aufgeführt werden.

Diese Verschiebungen innerhalb der katholischen Wählerschaft haben auch Einfluss auf das Wahlverhalten der Protestanten. Im Zuge der Autonomiebewegung gelingt es der UPR, in protestantischen Kreisen neue Wähler zu gewinnen, da sich die Partei für die sprachlichen und regionalen Traditionen einsetzt. Dies bedeutet die Spaltung der protestantischen Wählerschaft. Auch im Jahr 1936, wo erstmals der Front Populaire Kandidaten aufstellt und sich als Alternative zur UPR positioniert, wählen Teile der protestantischen Wähler nach wie vor die katholische UPR.

Kurz vor dem Ausbruch des Krieges war die UPR insbesondere in den ländlichen Gebieten des Elsass verankert. Die Wählerzusammensetzung der UPR bezüglich Berufsgruppen (erster, zweiter, dritter Sektor) war ausgeglichen und die Partei wurde nicht mehr ausschließlich von Personen katholischer Konfession gewählt. Nach der Spaltung der Partie im Jahr 1928, im Zuge welcher sich ein Teil der privilegierten katholischen Bourgeoisie sowie einige ländliche Adlige von der UPR losgesagt haben, hat sich die UPR zu einer Partei entwickelt, die im Mittelstand und den Arbeiterklassen von kleinen und mittelgroßen Städten ihre Stammwähler hatte.

Quellen und Bibliografie:

  • Archives départementales du Haut-Rhin, purgatoire n° 2995.
  • Comptes rendus statistiques de l’Office de statistique d’Alsace-Lorraine, 1919-1939.
  • Préfecture du Bas-Rhin. Recueil des Actes administratifs, 1928, 1932, 1936.
  • Christian Baechler, Le parti catholique alsacien. Du Reichsland à la République jacobine, Paris, 1982.

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