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Die Gebiete der Industrialisierung im Elsass (1750-1850)

Eigenschaften

Autor und Institut Nicolas Stoskopf, UHA (CRESAT)
Historische Zeiträume Neuzeit
Themen Handwerk und Industrie
CartographeJean-Philippe Droux, ARCHMIEDE, CNRS
SkalaAlsace
Entstehungsdatum2004
Datum der letzten Änderung2007
QuelleCarte originale
Diese Karte zitierenNicolas Stoskopf, « Die Gebiete der Industrialisierung im Elsass (1750-1850) », in Atlas historique d'Alsace, www.atlas.historique.alsace.uha.fr, Université de Haute Alsace, 2007

Erläuterungen zur Karte

Die Gebiete der Industrialisierung im Elsass (1750-1850)

In seiner Doktorarbeit über die Industrialisierung des Elsass (1803-1939) (Originaltitel: L’industrialisation de l’Alsace (1803-1939)) kommt Michel Hau zu dem Schluss, dass sich das ökonomische Wachstum im Elsass überwiegend durch Phänomene erklären lässt, die nicht den Wirtschaftswissenschaften entstammen (S. 436-437). Bis auf die Verfügbarkeit von fließendem Wasser sind die natürlichen Ressourcen des Elsass eher spärlich. Daher muss man sich den menschlichen Ressourcen zuwenden, sowohl den Unternehmern als auch den Angestellten, um erklären zu können, weshalb in dieser Region dennoch wirtschaftliches Wachstum stattfand. Betrachtet man die kulturelle Seite der Industrialisierung des Elsass und berücksichtigt die religiösen Spaltungen, stößt man schnell auf einige Faktoren, welche das Territorium in unterschiedliche Organisationssysteme teilen.

Die Industrialisierung resultiert aus kollektiven Prozessen, welche sowohl gemeinschaftliche (Karte 1) als auch individuelle (Karten 2 und 3) Initiativen einbanden. Somit ist sie eine Synthese aus zwei komplementären Vorgehensweisen (Karte 4).

Kollektive Prozesse der Industrialisierung (1750-1850)

Hierbei lässt sich zwischen drei verschiedenen Modellen und einem speziellen Fall unterscheiden:

- Das reformierte Modell: Kollektive Unternehmensgründungen werden innerhalb dieses Modells durch neue Produkte motiviert, die sich auf dem Markt einen guten Absatz finden. Dies sind beispielsweise in Mülhausen die „Indiennes“ (ab 1746), in Bischweiler/Bischwiller die „Drap Noir“ für die Truppen des Reiches, oder in Markirch/Sainte-Marie-aux-Mines die „Guinghams“ in Zuge der Restauration. Im Zuge dieser Unternehmensgründungen wurden auch neue Techniken in anderen Bereichen entwickelt (beispielsweise der Textilindustrie, Mechanik oder Chemie). So konnten sie die klassische Form der industriellen Revolution annehmen. Dies geschah vor allem in Mülhausen, aber auch in den Gebieten, die unter seinem direkten Einfluss standen. Darüber hinaus ist anzumerken, dass die reformierten Gemeinden auch jüdische Minderheiten integrierten.

- Das lutherische Modell: Dieses Modell verbindet die kleinen traditionellen Industrien, welche sich nur schrittweise zusammenballten (Mühlen, Gerbereien, Brauereien, Ziegeleien, etc.) mit dezentralisierten Betrieben, die sich oft in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelten (Gewirke in Barr und Wasselnheim/Wasselonne, Strohhüte in Straßburg und Saarunion/Sarre-Union, Schuhe in Pfaffenhofen und Dettweiler/Dettwiller). Im Unterschied zu ihren reformierten Kollegen waren die lutherischen Bürger sicherlich geschickt, aber überwiegend traditionell geprägt. Ihre Aktivitäten setzten daher keine industrielle Revolution in Gang.

- Das Straßburger Modell der Betriebsführung: Im Gegensatz zu den traditionellen Tätigkeiten einer kleinen lutherischen Bürgerschaft legte das Hochbürgertum sein Kapital in anonymen Industriegesellschaften an. Diese waren nicht unbedingt im Elsass niedergelassen und wurden von angestellten Managern geführt und nicht von der besitzenden Familie wie in traditionellen Betrieben üblich. Hier wurde schon mit einer Finanzialisierung der Wirtschaft experimentiert, indem sich die Industrie zunehmend von ihren Besitzern entfernte.

- Der Fall Schlettstadt/Sélestat: Im Gegensatz zu anderen katholischen Städten, welche zumeist nicht oder nur schwach industrialisiert waren, entwickelte sich Schlettstadt/Sélestat zur Hauptstadt der Drahtgewebe, welche zum Herstellen von Papier gebraucht wurden. Dies wurde möglich, indem sich mehrere individuelle Initiativen zusammenschlossen.

Individuelle Prozesse der Industrialisierung im Elsass: Katholische Unternehmer (um 1850)

Katholische Unternehmer waren keineswegs von den Industrialisierungsprozessen ausgeschlossen, allerdings hatten sie daran eher individuellen Anteil. Da sie nicht auf ein großes persönliches Netzwerk zurückgreifen konnten wie die meisten Protestanten, setzten sie auf ihre technische Kompetenzen (es handelte sich überwiegend um Ingenieure oder Techniker) und gingen oft sehr große finanzielle Risiken ein. Die Mehrheit gründete ihre Unternehmen dort, wo die Industrie am dynamischsten war, also vor allem im Dunstkreis von Mülhausen.

Individuelle Prozesse der Industrialisierung im Elsass: Einwanderer (um 1850)

Das Elsass zog auch ausländische Unternehmer an, die ihre Industriestandorte dorthin verlegten. Sie wurden vor allem von Standorten angezogen, die äußerst günstige Bedingungen aufwiesen, sei es durch vorhandene Ressourcen, Arbeitskräfte oder auch durch deren industrielle Vergangenheit. Die eingewanderten Unternehmen führten dort Innovationen wie neue Produkte oder verbesserte Produktionsweisen ein. Viele dieser Einwanderer, vor allem die Schweizer, profitierten von dem Aufschwung in Mülhausen. Einige von ihnen profilierten sich jedoch durch ihre eigenen unternehmerischen Tätigkeiten, darunter unter anderem Bâlois Bary, Preiswerck, Legrand oder Bindschedler, die die Seidenindustrie im Elsass einführten.

Industriegebiete im Elsass (um 1850)

Kollektive Bewegungen und individuelle Aktivitäten trugen gemeinsam dazu bei, die Industrialisierung voranzubringen. Diese Prozesse waren jedoch weit davon entfernt, homogen zu sein. Vielmehr gingen sie mit unterschiedlichen Organisationssystemen einher, die sich auch in der territorialen Verbreitung der Industrien zeigen. Man unterscheidet:

- Gebiete kollektiver Industrialisierung, wo ein innovatives oder ein ganz neuer Industriezweig eingeführt wurden. Sie zeichnen sich durch eine ausgeprägte Spezialisierung aus, wie beispielsweise Mülhausen und die Enklaven der Seidenindustrie in Gebweiler-Sulz/Guebwiller-Soultz, Markirch/Sainte-Marie-aux-Mines, Schlettstadt/Sélestat, Bischweiler/Bischwiller.

- Gebiete mit kleinen traditionellen Industrien und dezentralisierten Betrieben ohne erkennbare Spezialisierung.

- Gebiete mit Unternehmen, die auf einem kleinen Territorium durch eine Streuung ihrer Fabrikanlagen und ihrer Belegschaft gekennzeichnet sind. Zudem ist deren Politik stark paternalistisch und nach dem Stadtrat ausgerichtet. Häufig wurde diese Unternehmen von einer einzigen Familie oder einer sehr geringen Zahl an Unternehmern kontrolliert.

- Die netzartigen Handelsverflechtungen in und um Straßburg, geformt durch verstreute Unternehmensniederlassungen und abhängig von der zentralen Autorität.

Quellen: 

  • Michel (HAU),  L’industrialisation de l’Alsace (1803-1939), Straßburg, Presses universitaires de Strasbourg, 1987
  • Nicolas (STOSKOPF), La petite industrie dans le Bas-Rhin (1810-1870), Straßburg,  Oberlin, 1987
  • Michel (HAU), Nicolas (STOSKOPF), Les dynasties alsaciennes du XVIIe siècle à nos jours, Paris: Perrin, 2005.
  • Nicolas (STOSKOPF), Raymond (WOESSNER), "Les territoires industriels de l’Alsace et leurs mutations de 1746 à nos jours". In: Jean-Claude (DAUMAS), Pierre (LAMARD), Laurent (TISSOT), Les territoires de l’industrie en Europe (1750-2000). Entreprises, régulations et trajectoires, Besançon, Presses universitaires de Franche-Comté, 2007, 295-321.

Übersetzung: Stefanie Feierabend

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